Monday, October 31, 2005

1. Verhandlungstag

Am Donnerstag hatte ich dann also meinen 1. Sitzungstag.
Die 1. Verhandlung war für 10:00 angesetzt, so dass ich um 9:30 vor dem Büro meines Richters stand!
Wir gingen in seinem Büro nochmal kurz die Fälle durch und er erklärte mir, wie er wohl entscheiden würde bzw. in wälchen Fällen er noch Klärungsbedarf sieht und welche er vergleichen könnte!

Gegen 9:50 gingen wir dann zum Sitzungssaal, wo ich die "ehrenvolle" Aufgabe hatte die Parteien in den Saal reinzurufen, da es keine Protokollführerin mehr gibt (Sparmaßnahmen)!Dazu geht man vor den Sitzungssaal und sagt "In dem Rechtsstreit X gegen Y bitte eintreten"!
Es standen 5 Verhandlungen an, wobei bis auf 1 alle Mietsachen waren! In den Pausen (zwischen den einzelnen Verhandlungen lagen im Schnitt 10-15 Min.) erzählte mein Richter entweder noch etw. zu dem, was bis jetzt passiert war oder zu den Fällen, die noch anstanden!
Gegen 12:30 war dann die letzte Sache verhandelt und die Bilanz ließ sich sehen: Von 5 Sachen hatte mein Richter 4 verglichen, was bedeutet, dass er kein Urteil schreiben muss (also keine Arbeit hat)!

Was habe ich nun von meinem 1. Verhandlungstag mitgenommen?
1. Wie es unterschiedliche Menschen gibt, gibt es auch die unterschiedlichsten Anwälte: Die einen sind absolut schroff und zeigen überhaupt keinen Respekt - weder gegenüber dem Gericht bzw. dem Richter, noch gegenüber ihren Kollegen oder den Parteien. Ein Anwalt z.B. schrie den Beklagten an, dass er ruhig sei solle, wenn er (der Anwalt) spricht. Ich fand es etw. übertrieben sich so aufzuspielen und den Beklagten da so fertig zu machen, zumal er wirklich nur einen kleine Bemerkung gemacht hatte! Mein Richter sagte zwar daraufhin, dass im Folgenden das Gericht für Ruhe sorgen würde, aber auch davon ließ sich der gute Herr RA nicht wirklich beeindrucken.Dann gibt es Anwälte, die sich einfach nur unmöglich benehmen: Einfach laut und "flegelhaft" sich auf den Tischen wälzen (man glaubt es nicht). Dann wiederum gibt es Anwälte, die sich wirklich für die Sache ihrer Mandanten einsetzen und sich z.B. nicht so schnell auf einen Vergleich einlassen, sondern bis zuletzt "kämpfen" und wiederum Andere, die wie ein "kleines Mäuschen" an der Seite sitzen und kaum ein Wort rausbringen!
2. Bei einem Fall hatte ich den Eindruck, dass alle auf einen Vergleich hinwirkten und die Klägerseite (ein älteres Ehepaar) damit eigentlich überhaupt nicht zufrieden war und etw. übergangen wurde.Die Beklagtenseite hatte Mietschulden i.H.v. 3000 Euro - da war es natürlich klar, dass die Beklagten mit einem Vergleich von 1500 Euro leben konnten, der Richter wollte den Vergleich, da er weniger arbeit hat, genauso wie der Beklagtenvertreter, der schon in den Sitzungssaal kam mit den Worten "Lassen sie uns die Sache heute bitte vergleichen, ich habe keinen Nerv mehr mich noch weiter mit dieser Sache auseinanderzusetzen".Der Klägervertreter war ein älterer Anwalt, der nicht mehr wirklich alles mitzukriegen schien und dem es letztendlich ja auch egal war, ob man sich jetzt vergleicht oder nicht!So lief die Verhandlung von Anfang an auf einen Vergleich hin und nur die Kläger (das ältere Ehepaar) saß etw. hilflos im Saal und versuchten hin und wieder ihren Unmut zu äußern, aber ich hatte etw. den Eindruck, dass sie unter all den Juristen, die sich ja einig waren, irgendwie etw. unsicher wurden. Jedenfalls haben sie am Ende den Vergleich akzeptiert, waren aber (nach meinem Eindruck) nicht wirklich glücklich mit dem ganzen Ablauf!Die Klägerin deutete dies auch 1x an, indem sie sagte: "Ich habe den Eindruck, dass ich hier der Willkür ausgeliefert bin". Darauf ging mein Richter dann zwar ein und erklärte ihr, dass der Vergleich nur ein Vorschlag war und sie ihn nicht akzeptieren müsse, aber welcher Laie erhebt in solch einer Situation dann schon selbstsicher das Wort gegen 3 Juristen im Gerichtssaal!?!
3. In einer Sache ging es um eine Schlägerei und dort konnte man sehen, dass der Eindruck den man aus den Akten gewinnt (die ich ja am Dienstag gelesen hatte) sehr täuschen kann.Aus der Akte hätte ich den "Schläger" ganz anders eingestellt als er dann im Gerichtssaal rüberkam! Der Mündlichkeitsgrundsatz ergab für mich da nochmal einen tieferen Sinn: Man muss die Leute wirklich sehen und hören, bevor man eine Entscheidung trifft! Man glaubt gar nicht, wie wichtig so ein persönlicher Eindruck sein kann!

Fazit: Insgeammt war es eine interessante Sache mal zu sehen, wie Anwälte und Richter miteinander "kommunizieren" und wie Laien sich in so einer Situation verhandlen.Kleiner Tipp für Alle, die ihre 1. Sitzung noch vor sich haben: Beim Aktenlesen unbedingt ein paar Notizen zum Fall machen. Als mein Richter mich in den Pausen einige Dinge zu den anstehenden Fällen gefragt hat, hätte ich ohne meine Aufzeichnungen wirklich alt ausgesehen. Dabei müssen die Aufzeichnungen wirklich nicht umfangreich sein. Ich hatte für 5 Akten mit jeweils im Schnitt 80 Seiten 1 1/2 DIN A 4 Seiten Aufzeichnungen!